Throw-back-Thursday
Dieser Artikel von mir hat von 2014 bis vor ein paar Monaten auf einer anderen Webseite gestanden. Jetzt könnt ihr ihn hier auf meinem Blog Mallorca-Talks.com lesen. Und bitte: LERNT AUS MEINEN FEHLERN!
Mallorca – Eine (fast) tödliche Wanderung
An einem wunderschönen, sonnigen Tag im März 2014 haben wir uns den Camino del Tossals Verds als Sonntagswanderung ausgesucht.
Die Strecke war in unserem Wanderführer angesetzt auf 4 bis 5 Stunden mit einer mittelschweren Bewertung. Mein Freund Redduan, sein 8-jähriger Sohn Adam und ich hatten schnell die Rucksäcke gepackt und die Wanderschuhe angezogen. Und dann ging´s los zum „Embassament des Gorg Blau“. Das Auto wurde an dem Stausee geparkt und los ging´s.
Voller Tatendrang marschierten meine zwei Männer voraus. Und direkt in die falsche Richtung!
Statt die Wanderung wie beschrieben rechts um den Tossal Verds zu starten, liefen meine zwei Jungs nach links. Das fiel mir auch sofort auf, aber (FEHLER NR.1) ich habe nichts gesagt! Beide waren ohnehin schon genervt, dass ich immer den Weg kenne – und sie meistens mangels eigener Orientierung nur hinter mir her trotten können.
Also dachte ich bei mir: „Ach komm – rechts rum oder links rum… völlig schnuppe.“
Die Einsicht, dass das ganz und gar nicht egal war, kam dann leider erst als ich schon kurz davor war, die Bergwacht anzurufen, um uns retten zu lassen. Aber – ich will nicht zuviel vorweg nehmen. Beschwingt und guter Dinge wanderten wir gut 1,5 Stunden durch flaches Gelände, bei sehr angenehmen Vormittags-Wander-Temperaturen.
Niemand hatte Durst. Alles war perfekt.
Irgendwann wurde die Route etwas anstrengender – aber auch nicht wirklich, denn wir waren ja noch super frisch. Trotzdem haben wir kurz vor dem Erreichen des Refugi des Tossals Verds Rast gemacht.
Lecker gegessen. Ein bisschen was aus der meiner geliebten pinkfarbenen 500ml-Trinkflasche getrunken, die außen an meinem Rucksack hing. Immer noch alles super. Die Wanderung konnte nicht besser laufen.
Adam war glücklich, weil er so gerne läuft. Wir trafen unterwegs zutrauliche Esel und waren die ganze Zeit auf der Suche nach dem abgestürzten Flugzeugwrack, was sich irgendwo an diesem Weg befinden sollte.
Am Refugi angekommen trafen wir unzählige Wanderer, die sich über die unterschiedlichen Routen unterhielten. Sie waren alle schon so schrecklich müde. Und wollten deshalb wissen, wie das nächste Teilstück wird. Da uns ja alle Wanderer entgegen kamen, konnte ich alle beruhigen und von dem leichten Stück berichten, was noch vor Ihnen lag.
Leider sind wir nicht darauf gekommen zu fragen, warum die denn alle so kaputt waren. (FEHLER NR. 2)
Sonst hätten wir vielleicht darüber nachgedacht, ob so eine anspruchsvolle Teilstrecke mit Steilwandklettern an vor-installierten Stahlseilen wohl eine gute Idee für unseren 8-jährigen ist.
Wir machten uns also immer noch relativ frisch auf das letzte Teilstück. 2/3 der Strecke hatten wir ja schon hinter uns. Gleich nach dem Refugi ging´s ziemlich steil auf und ab. Wir kamen ganz schön aus der Puste.
Mittlerweile war es Mittagszeit und die Sonne knallte auf die Westseite des Tossals Verds, wo wir jetzt den schwersten Teil der gesamten Tour vor uns hatten.
Die Sonne brannte mir auf´s Capi. Ich wollte keine Schritt mehr tun, aber jetzt hatten wir erstmal eine Mords-Kletterpartie vor uns. Wir schwitzten, kletterten und tranken aus meiner kleinen pinken Flasche. Schwitzten noch etwas mehr, kletterten weiter wie die Bergziegen und dann war mein Fläschchen leer.
„Redduan, gibst du mir noch mal eine neue Wasserflasche aus deinem Rucksack“
sagte ich völlig ausser Atmen zu meinem Freund. Der blieb stehen und schaute mich an. „Das Wasser ist doch bei dir im Rucksack!?“ sagte er dann irritiert.
„Ach du SCH….“
Jetzt war Holland in Not. Redduan war davon ausgegangen, dass ich die Wasserflaschen eingepackt habe. Ich dachte, er hat die 3 Liter bei sich im Rucksack. (FEHLER NR. 3)
Innerlich stieg Panik in mir auf. „Nicht das das hier zu eine tödliche Wanderung wird.“ schoss es mir durch den Kopf. Auch in Redduans Augen war Verzweiflung zu lesen. Aber keiner von uns ließ sich etwas anmerken. Wir wollten nicht, dass Adam anfing sich Sorgen zu machen.
Ich nahm mir die Karte zur Hand und sah, dass unweit von unserer Position ein kleiner Bach den Tossals Verds herunter kommen müsste.
Redduan entspannte sich etwas bei dem Gedanken, denn auch er hatte mittlerweile heftig Durst. Dann kamen uns drei Männer entgegen. Ich fragte gleich, ob sie an einem kleinen Bach vorbei gekommen sind.
„Ja. Aber der ist trocken.“ sagte mir einer der drei.
Mir rutschte ein lautes „Fuck“ raus. Sofort fragte der bärtige, junge Mann nach „Wieso? Habt ihr nicht genug Wasser?!“
Als ich gerade nickend unsere missliche Lage erklären wollte, hörte ich meinen Freund sagen: „Doch. Doch. Alles okay. Wir haben Wasser!“ (FEHLER NR. 4!)
Ich schüttelte mich kurz, weil ich gar nicht glauben konnte, was der – mit Verlaub: Vollidiot da gerade gesagt hat. „Wir haben keinen Tropfen mehr.“ sagte ich schnell und unterstrich unsere aussichtslose Situation mit einem wahrscheinlich ziemlich panischen Gesichtsausdruck.
Die drei beredeten sich kurz und sagten dann: „Wir können euch einen halben Liter geben.“ Dann nahmen sie mir wortlos meine kleine pinkfarbene Flasche aus der Hand und füllten sie wieder auf. Ich erinnere mich nicht wie oft ich danke gesagt habe. Aber es können gut so 20 Mal gewesen sein.
Wasser – 500 ml – damit konnten wir wenigstens Adam etwas zu trinken geben. Denn mein kleiner Stiefsohn würde sonst sicher bald schlapp machen und in unserem Zustand war an „Kind tragen“ nicht zu denken. Zudem wollten wir verhindern, dass er seiner Mutter, die ohnehin nicht begeistert war von unseren Wandertouren, erzählte, dass wir kein Wasser für ihn dabei hatten.
Die Sonne brannte immer heißer. Der Rucksack fühlte sich an, als hätte ein müder Elefant darin Platz genommen.
Mir war schlecht. Alles drehte sich. Ich fing an zu fantasieren. Dachte an alle möglichen Getränke.
Adam wollte auch nicht mehr weitergehen. Gott sei dank war aber das Flugzeugwrack noch vor uns, deshalb ließ er sich motivieren weiter zu laufen. Bei jeder Bergspitze dachte ich, dass muss es doch jetzt gewesen sein, aber es war immer noch eine Erhebung dahinter.
Ich fing an zu überlegen, ob es wohl teuer wird, wenn wir die Bergwacht rufen müssen.
Redduan taumelte, rutschte mit einem Fuß weg und trat eine ganze Steinlawine los. Mein Herz blieb stehen. Wenn er sich noch was tut, dann ist es ganz vorbei. Kaum hatte ich diesen Gedanken beendet, musste ich mich übergeben. Ich brach am Wegesrand zusammen.
Das war zu viel Sonne und zu wenig Wasser für mich.
Adam setzte sich auf den Stein neben mich. Er öffnete den Rucksack und nahm die Flasche raus. Mit den Worten „Aber nur einen Schluck“ hielt er sie mir hin. Mittlerweile hatte auch er verstanden, dass die Situation recht brenzlig war.
Ich trank EINEN Schluck. Wie wunderbar. Ich bewegte das Wasser minutenlang in meinem Mund.
Ich hatte das Gefühl, in diesem Leben gibt es nichts schöneres als Wasser. Das Gefühl war unbeschreiblich. Für ungefähr eine Sekunde. Dann kehrte der Durst zurück.
Mehrfach wollte ich aufgeben. Aber das ging nicht. Ein Blick auf mein Handy hatte nämlich meinen Verdacht bestätigt: Handynetz gab´s hier nicht. Hilfe holen wäre also so ohne weiteres gar nicht möglich gewesen.
Da kam mir die rettende Idee – in meinem Rucksack waren noch zwei dicke, fette, saftige Äpfel!
Ich holte sie aus meiner Tasche und hielt Redduan einen unter die Nase. Er nahm den Apfel und gab ihn wortlos an Adam weiter. Auch für den kleinen Mann war der Marsch sehr anstrengend geworden.
Ich aß also nur einen halben Apfel und gab dann meine zweite Hälfte an Redduan. Der halbe Apfel half enorm!
Nach der nächsten Biegung sah Adam das Flugzeugwrack.
Der Flugzeugwrack am Camino dels Tossals Verds
Ein einmotoriges Leichtflugzeug von dem nicht mehr wirklich viel übrig war – aber für Adam Grund genug, trotz völliger Erschöpfung noch ein paar Meter extra Weg in Kauf zu nehmen. Er kletterte zu dem Metallgestell und rief zu uns dazu. Ich war nicht mehr in der Lage auch nur eine Minute länger in der Sonne zu bleiben, also winkte ich ab. Langsam schleppte ich mich weiter in Richtung des einzigen Busches weit und breit. Ich wollte wenigstens im Schatten warten.
Während der wenigen Minuten die ich dort saß, bekam ich es gewaltig mit der Angst.
„Wir könnten hier draußen sterben.“
schoss es mir durch den Kopf. Dann erinnerte ich mich an das Gesetz der Anziehung und lenkte meine Gedanken lieber wieder zurück auf die kühlen Getränke. Es sollen ja schon Leute umgekommen sein, nur weil sie Panik bekommen haben.
Adam war nach seiner kleinen Fotosession am Flugzeug jetzt so motiviert, dass er mir sogar meinen Rucksack abnahm. Kinder … tssss.
Wir schleppen uns den letzten Hügel hinauf. Und dann …
Der Blick war spektakulär. Die wunderschöne Aussicht auf die beiden Stauseen und den Puig Major meine ich übrigens nicht. Nein – Wir konnten unser Auto sehen! Und in dem Fahrzeug waren die vergessenen 3 Flaschen Wasser drin!!!
Was eine Tour. Der Abstieg fühlte sich an, als würden wir den Berg runter rennen. Wahrscheinlich sind wir das auch. Den Autoschlüssel hatte ich jedenfalls schon die letzten 300 Meter in der Hand.
Die letzten Meter bis zum Auto
Am Auto angekommen, setzten wir alle eine Flasche an den Hals und tranken, als wären wir jahrelang durch die Wüste geirrt.
„Ich weiß gar nicht, warum die Menschen alle immer mehr Geld haben wollen. Mir reicht Wasser.“
sagte Redduan lachend. Und ich wußte ganz genau was er meinte. Es war so ein herrliches Gefühl meinem Körper wieder Flüssigkeit zuzuführen – unbeschreiblich. Genauso wie die ganze Tour auf dem Camino del Tossals Verds.
PS: Auch wenn ich die Tour bei Komoot als „hell and back“ abgespeichert habe. Wir kommen bestimmt irgendwann wieder: Mit Wasser (!!!!) und dann laufen wir auch in die richtige Richtung!
PPS: Nach dieser fast tödlichen Wanderung habe ich einen Survival-Kurs gemacht und viel über das Überleben in den Bergen von Mallorca gelernt. Wasser vergesse ich in diesem Leben nie mehr!
Ist dir so etwas ähnliches auch schon mal passiert?
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Hallo Barbara, ich bin gerade zufällig auf Deinen Artikel hier gestoßen und ich wollte Dich fragen, ob ich ihn möglicherweise ab und zu zitieren darf. Ich wandere selber viel und führe auch Touren durch die Berge (Facebook und Instagram: Mallorca-Abenteuer) und ich kann gar nicht oft genug sagen, dass alle bitte genug Wasser mitnehmen sollen. Vor allem im Sommer. Aber eigentlich IMMER. Lieber einen Liter zu viel als auch nur 100 ml zu wenig. Mir ist zum Glück noch nie passiert was Euch widerfahren ist, aber trotz guter Planung und genug Vorrat, war es bei mir auch schon mal knapp mit Wasser.
Die Tossals Verds-Runde mache ich auch am liebsten in der Richtung, wie ihr sie gemacht habt, aber – vor allem im Sommer – ist es besser, sie richtig herum zu machen. Dann hat man den schattenlosen Teil des Trails bis zum Refugio Tossals Verds zur Mittagszeit schon hinter sich und hat dann nach einem weiteren Aufstieg wenigstens das letzte Viertel zwischen Bäumen und an der Canaletta, in der eventuell dann auch noch Wasser fließt …
Gruß,
Jacquie :-)