NACHTRAG:
Leider gibt es den Laden von Cesar in Valldemossa nicht mehr. Aber Fallschirm springen kann man mit ihm immer noch!
Madventure Gründer Cesar sagt:
„Grenzen existieren nur in deinem Kopf“

Ich habe selten während eines Interviews Gänsehaut, aber dieses Gespräch mit Cesar Canudas von Madventure hatte es echt in sich (für mich persönlich).
Cesar kommt ursprünglich aus Palma ist 28 Jahre alt und lebt seine Passion. Eine Passion, die ihm fast alle Knochen gebrochen hat (bis auf das rechte Handgelenk! Das war noch nie kaputt!) – aber was tut Man(n) nicht alles für einen echten Adrenalinkick.
MADVENTURE heißt sein Geschäft in Valldemossa und da ist der Name Programm!
Der Laden ist eigentlich nur ein Nebenprodukt und trotzdem Dreh- und Angelpunkt für die verrückten (englisch: MAD) Abenteuer (englisch: Adventures) von Cesar und seinem „Gefolge.“ (sorry, aber dieses kleine Wortspiel bot sich einfach an). Madventure ist nicht nur eine Schule für Paragliding (oder auch Gleitschirmfliegen), sondern auch ein Sammelpunkt für Champions der unterschiedlichsten Sportarten. Da unterrichtet der Weltmeister im Freeclimbing, neben dem Weltmeister im Basejumping, mit dem einzigen Akrobaktik-Paraglider Mallorcas. Wobei wir wieder bei Cesar Cansuades angekommen wären. Für ihn ist Madventure die (fast) Verwirklichung eines lebenslangen Traums.
Wie fing alles an?
Als Cesar gerade mal 17 Jahre alt war, hat er seinen ersten Gleitschirm-Flug absolviert. Sein älterer Bruder hatte den Sport schon vorher entdeckt und Cesar infiziert.
Als er dann endlich alt genug war, ging´s in die Pyrenäen nach Castejon de Sos um bei den Besten zu lernen.
„Nur wenn du zu den Besten gehst, kannst du auch selber richtig gut werden.“
erklärt mir Cesar und ich merke das in ihm ein gewisser Ehrgeiz steckt immer zu den Besten zu gehören. Er sucht das außergewöhnlich, das Besondere. So setzt er auf das ohnehin schon „gefährliche“ Paragliding mit seiner Lieblingsdisziplin noch einen oben drauf: Gleitschirm – Akrobatik. Ja – du hast richtig gelesen. Er gleitet nicht nur durch die Luft, er macht auch Loopings dabei. Ja und hin und wieder geht bei den Tricks halt auch mal was schief. Da bleibt er zum Beispiel mit den Leinen beim Salto am Schirm hängen und der klappt zusammen. Für genau diesen Fall hat Cesar einen Ersatzschirm dabei.
Das Problem: Der lässt sich nicht steuern! Er bremst lediglich den Fall. Etwas. Sprich – die dreimal, die Cesar den Ersatzschirm in seinem Leben ziehen musst, war zwar der direkte und garantiert tödliche Aufprall verhindert – trotzdem befand er sich in Lebensgefahr! Denn auf Mallorca gibt es vor allem eins reichlich: Stromkabel! Ich gebe zu, die sind mir bis zum Interview mit Cesar noch nie aufgefallen, aber er hat Recht: egal, wo du bist, siehst du Stromkabel überirdisch gespannt. Eine große Gefahr für alle die von oben kommen.
„Du rauscht mit dem Ersatzschirm also völlig unkontrolliert zu Boden und landest eben da, wo du landest. Ich hab mir jedes Mal sämtliche Knochen gebrochen.“
Er zählt kurz auf welche das im Einzelnen waren – das konnte ich mir in meiner Schockstarre aber nicht merken. Mir schiessen zwei Gedanken durch den Kopf:
Ist der Typ denn des Wahnsinns?
Und – Wie reagiert die Familie auf diese gefährliche Passion?
„Relativ gelassen.“ meint Cesar. Schon immer war bei Familie Canudas die Luft das Element der Wahl: Cesar’s Papa ist Pilot. Auch sein älterer Bruder hat heute eine Flugschule auf Mallorca. Cesar macht seinen ersten Instruktorschein mit 20. Mit 22 springt er das erste Mal mit Kunden aus dem Heißluftballon. Die Familie ist den ständigen Nervenkitzel also „gewöhnt“.
„Aber natürlich haben alle immer wieder Angst und machen sich Sorgen. Ich ja manchmal auch. Wenn wieder ein Freund tödlich verunglückt ist, oder gerade ein Springer in deinen Armen gestorben ist. Dann denkst du zwei Tage darüber nach, warum du das überhaupt machst. Aber am dritten Tag fliegst du wieder. Es ist einfach meine Leidenschaft. Und ich besiege immer wieder die Angst. Außerdem war mir schon immer klar, dass ich etwas mit Fliegen machen wollte.“
Wieder sitze ich da auf der kleinen, hölzernen Madventure-Schnitzbank im Laden und kann mich an meine nächste Fragen nicht erinnern. Hat er gerade wirklich gesagt, dass ein Springer in seinen Armen gestorben ist? Ich frage zur Sicherheit nochmal nach.
„Ja. Ich war der erste an der Absturzstelle. Er war noch kurz ansprechbar, ist dann aber in meinen Armen gestorben noch bevor die Ambulanz da war.“
Für einen Moment verschwindet das Dauergrinsen aus seinem Gesicht.
Das sind die Momente in denen er zweifelt. Aber dann ist die Sucht doch stärker als die Angst, dass man selbst der Nächste sein könnte.
„Der Adrenalinkick ist unglaublich. Du bereitest dich manchmal wochenlang vor. Du schläfst die letzten drei Tage vorher nicht mehr. Dann kommt irgendwann der Sprung und BAMM knallt dir das Adrenalin rein. Das ist eine echte Droge. Da brauchst Du nichts anderes mehr.“
Es dauert also genau diese paar Sätze, bis das Grinsen wieder da ist und das Funkeln in seinen Augen zurück kommt. Ich dagegen habe immer noch Gänsehaut. Meine persönliche Geschichte holt mich ein – ich denke an Markus. Ein ehemaliger Arbeitskollege und Freund, der vor Jahren beim Gleitschirm-Sprung tödlich verunglückt ist. Ich erzähle Cesar von Markus.
„Ja. Unser Sport verzeiht nicht den kleinsten Fehler. Du musst jeden einzelnen teuer bezahlen. Und wir sind nicht viele – jeder kennt jeden. Wenn einer stirbt, dann war das immer der Freund von einem Kumpel – oder ein guter Bekannter.“
Eine gute Ausbildung und Vorbereitung ist die beste Lebensversicherung.
Jeder Gleitschirm-Pilot ist vor jedem Sprung hochkonzentriert, faltet seinen Schirm. Je nach Situation auf eine andere Art. Die meisten Unfälle passieren, wenn jemand einen Plan für einen Sprung hatte – die Bedingungen dann nicht wie geplant waren – und einfach ein anderer Sprung gemacht wird ohne den Schirm neu zu falten. Cesar erklärt mir die einzelnen Schritte und schon während er über den Faltprozess spricht, sehe ich die andere Seite von Cesar dem Sonnyboy: der hochkonzentrierte Profi. Alles was er tut, ist gut durchdacht und alles andere als kopflos risikobereit.
Auch der Laden war gut geplant. Über zwei Jahre hat er in Valldemossa nach Geschäftsräumen gesucht. Durch einen Zufall entdeckte er den aktuellen Laden, damals ein völlig runtergekommenes, unvermeidbares Drecksloch. Aber Cesar sah das Potential und baute sich alles so wie er es haben wollte. Das Geschäft betreibt er aber nicht allein: im April 2014 startete er gemeinsam mit seinem Kompagnon Tony (MAD) Matinez in die erste Saison für sein Multi-Sport- und Aventure-Geschäft in Valldemossa. Die beiden haben ihr Ideen zu einem gemeinsamen Business verschmelzen lassen und dabei herausgekommen ist ein Angebot, das neben den klassischen Bergaktivitäten wie Trekking, Klettern und Torrent-Touren, auch Kayaking, Schnorcheln oder Tauchen umfasst.

Ich will wissen, ob Cesar auch die „langweiligen“ Sportarten selber ausübt.
Er schüttelt den Kopf und lacht. Langweilig ist bei Madventure nämlich überhaupt gar nichts. Und:
„Wir suchen uns immer die besten Instruktor und Guides raus und arbeiten dann mit denen zusammen. Insgesamt sind es fünf verschiedene Guides. Und es muss auch nicht jeder die gefährlichen, verrückten Sachen machen. Hier dürfen auch ganz normal Wahnsinnige hinkommen!“
Wenn es zum Beispiel ums Free-Climbing geht, ist der Mann der bei Madventure: Miguel Riera (seines Zeichens Erfinder des Deep-Water-Soloing) auch aus Mallorca. Besser aufgehoben können die Kunden nicht sein – findet Cesar.
„Ich habe ja auch gar eine Zeit alles selber zu machen. Wir bieten ja zum Beispiel auch den GR 221 als Trekking Touren an. Von Hüte zu Hüte auf dem Langstreckenwanderweg. Dazu hätte ich niemals Zeit.“ erklärt er mir und lacht. „In diesem Jahr war vieles noch Organisation und lernen wie es überhaupt funktionieren kann. Ich hoffe, dass ist im nächsten Jahr anders.“
Das heißt, du bist deinem Traum ganz nah? frage ich weiter.
„Nein. Das bin ich erst, wenn dieser Laden hier von alleine läuft und ich mich wieder viel mehr meinem Sport widmen kann. Ich will wieder auf internationalem Niveau an Wettkämpfen teilnehmen. Dazu muss ich viel reisen. Das ging in diesem Jahr nicht.“
Ich erinnere mich an meinen ersten Besuch in Madventure – einen Tag nach der Eröffnung. Da stand Cesar gerade vor einer völlig falschen Lieferung Wanderschuhe (alle nur in meiner Größe geliefert!) und guckte alles andere glücklich.
Wie oft er in der Aufbauphase das Handtuch werden wollte, frage ich ihn.
Er lacht –
„mehr als einmal. Wir haben wirklich viel investiert. Das war alles ein Risiko. Es gab schon Momente, in denen ich mich gefragt habe: Was mache ich hier eigentlich? Trotzdem haben wir das erste Jahr erstaunlich gut überstanden.“
Ich drücke Cesar alle Daumen, obwohl es mir doch immer noch etwas schwer fällt mir vorzustellen, dass das Element Luft ihm soviel Spaß macht. (Ich bin ja eher so eine Wasserratte.)
Was sind Deine glücklichsten Moment Cesar?
„Wir haben einen motorisierte Paraglider. In dem kann ich auch Kunden mitnehmen. Wenn das Wetter ein bisschen wolkig ist, dann fliege ich immer mit denen durch die Wolken. Da kommen Emotionen hoch – das kannst du dir nicht vorstellen. Die Menschen fangen manchmal sogar an zu weinen. Erstmal ist es wunderschön, wenn du über den Wolken bist – so ganz frei – in einem Flugzeug zum Beispiel. Und zweitens – durch eine Wolke fliegen ist das allergrößte überhaupt: Du spürst sie. Die Luftfeuchtigkeit. Du tauchst ein, bist umgeben von der Wolke. Das muss man mal erlebt haben.“
Während Cesar redet kriege ich wieder einen Gänsehaut. Ich kann es mir bildlich vorstellen, wie das sein muss. Ein Gefühl unendlicher Freiheit im Einklang mit der Natur. Ein Hochgefühl der ganz besonderen Art, weil du es wirklich erlebst. Ich mache mir also in Gedanken eine kleine Notiz: Wenn Motorschirm fliegen, dann bei wolkigem Wetter!
Wo ist Mallorca denn am schönsten für dich?
will ich wissen und kenne die Antwort schon. Als er sagt „von oben.“! Ich muss lachen.
„Die gesamte Serra de Tramuntana ist ein Traum für mich. Für´s Fliegen eignet sich besonders gut die Gegend um Alcudia. Da sind die Wetterbedingungen für uns immer am besten. Für die Akrobatik ist Mallorca aber eigentlich nicht so gut geeignet. Da wären noch höhere Berge besser.“
Trotzdem wird es in 2015 im Juli eine Gleitschirm-Akrobatik Weltmeisterschaft auf Mallorca geben. Und jetzt dürft ihr mal raten, wer da mit dabei sein wird!
Fotos: Privat Cesar Canudas – danke dafür!
Wenn ihr auch was zu Madventure Valldemossa zu erzählen habt .. schreibt das doch gerne hier – oder twittert unter #MadventureValldemossa
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Da krieg ich richtig Lust mit Cesar auf Tour zu gehen … ein Kunde hat gefilmt!